Biodiversität als kulturelles Konzept
Seit Verabschiedung des „Übereinkommens über die biologische Vielfalt“ (CBD) ist Biodiversität zu einem zentralen Thema in nationalen und internationalen gesellschaftlichen und politischen Debatten, in biologischen Fachwissenschaften und in der Umweltforschung geworden. In den Diskussionen über Biodiversität treffen nicht nur ganz unterschiedliche Interessen aufeinander, sondern auch, was oftmals unbemerkt bleibt, ganz unterschiedliche Biodiversitätsauffassungen. Es gibt, zumindest jenseits abstrakter, nicht operationalisierbarer Definitionen, nicht die Biodiversität, sondern nur eine Vielzahl konkurrierender Biodiversitätskonzepte.
Die Forschung zu Biodiversität am Arbeitsbereich III der FEST thematisiert die für Biodiversitätsauffassungen konstitutiven – aber zumeist implizit bleibenden und bisher auch in der umfangreichen theoretischen Literatur zu Biodiversität nur wenig untersuchten – Konzepte von Diversität und Kriterien für die Relevanz und Irrelevanz von Unterschieden zwischen biologischen Entitäten. Dabei legen wird als heuristische Hypothese zugrunde, dass diese Konzepte und Kriterien in kulturellen Deutungsmustern, Idealen, Interessen, Praktiken usw. gründen – und nicht etwa biologischen Tatsachen entnommen sind. In diesem Sinne begreifen wir Biodiversität als kulturelles Phänomen und Konzept, in dem empirisch-deskriptive und praktisch-präskriptive Aspekte inhärent miteinander verbunden sind.
Unsere Forschungen zu Biodiversität fokussieren derzeit auf vier Aspekte:
- Das kulturell geprägte Spektrum der
Bedeutungen von Diversität - Biodiversität als Funktionsträger versus
Biodiversität als Bedeutungsträger - Konzepte von Biodiversität auf der über-
artlichen Ebene der Biozönosen bzw.
ökologischen Gesellschaften - Beurteilungen von Neobiota bzw. von sogenannten biologischen Invasionen
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Projekte zur Thematik
Vortrag “Landscape and Biodiversity”
von Thomas Kirchhoff, 1st International BION-Conference „Biodiversity Today for Tomorrow“, Wissenschaftszentrum Bonn, 17.-19.09.2014.
Workshop “Wünschenswerte Vielheit. Diversität als Kategorie, Befund und Norm”
Auf dem Workshop, der am 11./12. Oktober 2013 an der FEST stattfand, wurden begriffs- und ideengeschichtliche Hintergründe der aktuellen Konzepte von Biodiversität herausgearbeitet. Ausgangspunkt war dabei die Annahme, dass die Analyse einschlägiger und für die Thematik zentraler philosophischer Programme – nämlich der von Aristoteles, Kant, Leibniz, Bergson und Whitehead – einen ersten Ansatz zu Explizierung dieser Hintergründe liefert. In den Vorträgen wurde jeweils eine auf das philosophische (Kategorien-)System gerichtete Analyse kombiniert mit einer Untersuchung, die auf die biologische Befundlage gerichtet war, die für den jeweiligen Denker bzw. dessen Philosophie relevant war.
Der Workshop wurde durch die Fritz Thyssen Stiftung finanziert und von Dr. Thomas Kirchhoff (FEST) sowie Prof. Dr. Dr. Kristian Köchy (Universität Kassel, Institut für Philosophie) organisiert wurde.