Versteht man (systematische) Theologie als Reflexion über den Glauben, als Reflexion von Sinnfragen und Werten im Licht der theologischen Tradition und der biblischen Überlieferung, als Transformation und Tradierung, so steht diese Theologie in einer Beziehung zu gegenwärtigen Glaubensvorstellungen, Orientierungen und alltäglichen Lebenswelten. So schlicht diese Feststellung klingt, so schwer ist es zu bestimmen, wie diese Beziehung genau aussieht. Dies gilt zumindest für die Systematische Theologie.
Friedrich Mildenberger unterscheidet in der Theologie drei Fragerichtungen: Eine historische, eine normative und eine empirische. Als Heuristik ist diese Differenzierung sehr hilfreich. Folglich ist in der Systematischen Theologie erstens zu fragen, inwieweit gesellschaftliche Entwicklungen für die eigene Forschung relevant sind: Wie verhält sie sich zur Lebenswirklichkeit und ihren religiösen Dimensionen? Verändern individuelle Glaubensvorstellungen die theologische Formulierung und Argumentation? Zweitens ist nach der spezifischen Aufgabe der Systematischen Theologie: Systematisierung kann bedeuten, die Beobachtungen der Welt mit der christlichen Tradition (einschließlich der Heiligen Schrift) zu verflechten. Diese „systematisierende” Perspektive – im Unterschied etwa zu einer systematischen oder dogmatischen Perspektive – ist der fortlaufende Prozess, in dem Beobachtungen der Gegenwart mit christlichen Traditionen interpretiert und transformiert werden.
Verhandelt werden diese Fragen aktuell international und in anderen Disziplinen der Theologie – zum Beispiel in der Praktischen Theologie und der Interkulturellen Theologie – in einer Vielzahl von Ansätzen: Dazu gehören Ansätze wie „lived theology”, „ordinary theology”, „gelebte Religion”, „öffentliche Theologie”, „narrative Ethik”, „Befreiungstheologie”, „constructive theology“ oder auch „pragmatist theology”.
In einem ersten Workshop Anfang Mai 2023, den PD Dr. Frederike van Oorschot zusammen mit Dr. Lea Chilian (Institut für Sozialethik der Universität Zürich) ausgerichtet hat, wurden diese Ansätze hermeneutisch und methodisch interdisziplinär weiterentwickelt. Darauf aufbauend nach den Potentialen für die Systematische Theologie zu fragen, ist Ziel des avisierten Netzwerks “Induktive Theologie”.
Ein kurzer Tagungsbericht erschien im theologischen Feuilleton feinschwarz: feinschwarz.net/induktive-theologie (short report workshop inductive theology)